Dienstag, 6. April 2010

Warum Polyester-Lackierungen gar nicht gehen!

Heute werden alte Flügel unter Hinweis auf die Alltagstauglichkeit immer wieder in Polyester aufgearbeitet und in schwarzem Hochglanz präsentiert!

Das Ergebnis ist geradezu furchtbar: synthetisch, kalt, stilbrechend und akustisch unverträglich!!!!!!!!!

Alte Flügel klingen als Ganzes: mit ihrem Gehäuse!

Wir wissen dies auch von unseren guten Kirchenorgeln: erst ihr Gehäuses bündelt, wärmt und entsendet den Klang in der richtigen Art und Weise. Beim Flügel schwingt vor allem die gebogene Schweifwand mit.

Lacke haben die Eigenschaft Holzoberflächen gegen Schmutz zu schützen und eine geschlossene Fläche zu bilden. Sie halten aber auch, je nach ihrer chemischen Beschaffenheit und Dicke, die Schwingungsfähigkeit der Holzfasern zurück, behindern sie oder unterbinden sie sogar ganz:

Material/Schichtstärke(ca.)/Schwingungsdämpfung in %(ca.)

Schellack/0,4 mm/5%
Nitrolacke/0,6 mm/15% bis 25%
Säurehärtende Lacke/0,8 mm bis 1,2 mm/45% bis 60%
Polyesterlack/1,5 mm bis 2,5 mm/85% bis 95%

Aus obiger Tabelle ergibt sich klar, daß moderne Lacke nicht ernsthaft diskutiert werden sollten, wenn es um die Aufarbeitung von alten Klavieren geht.
Schellack-Polituren stellen das Ideal dar. (Lackierverfahren: Handpolitur)
Vertretbar sind noch Schellack-Mischlacke unter Zugabe von Nitro-Mattierung.
Wenn der Arbeitsaufwand einer Handpolitur zu hohe Kosten verursacht, kommt vielleicht noch ein Nitro-Spritzlack infrage. Alles andere verbietet sich von selbst.

Natürlich wird hier oft der Einwand vorgebracht:
"... aber Klaviere sind doch "flächenzentrierte" Systeme! Da soll doch nur der Resonanzboden schwingen und sonst nichts!"
Tatsächlich gehen viele Konstrukteure davon aus, daß der Klang eines Klavieres leidet, wenn weitere Teile des Instruments mitschwingen. Sie stellen eine Gleichung auf:

(Gute Schwingungen des Resonanzbodens) minus (unerwünschte Nebenschwingungen des Gehäuses oder der Gußplatte) gleich (Instrument mit Klangeinbußen)

Diese Rechnung geht aber nicht auf! Bei der Geige ist die Decke dem Resonanzboden eines Klavieres vergleichbar. Sie koppelt ihre Schwingungen jedoch innig mit denen der Zargen und des Geigenbodens. Zug und Druck wirken zudem über den Hals und den Saitenanhang beständig auf dieses gekoppelte System ein und bringen so den einzigartigen, durch besondere Lebendigkeit und zahllose Klangformanten ausgezeichneten Klang der Geige hervor.

Niemand käme wohl auf die Idee, eine Violindecke in ein betonhartes Lager einzukleben, damit nur und ausschließlich die Decke des Instruments Schwingungen ausführen könnte.
Das Instrument klänge hart und gleichförmig:
für mich kein Klangideal!


Man wende sich also ab von alten Instrumenten im Polyester-Kleid!